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Antrag im Rat: Auswirkungen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)

Ratsfraktion Resolution von SPD und GRÜNEN. Der Rat der Stadt Köln fordert den Landtag auf, den Entwurf zum „Kinderbildungsgesetz" (KiBiz-NRW) in seiner bisherigen Form nicht anzunehmen.

18.09.07 –

SPD-Fraktion im Rat der Stadt Köln 
Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Rat der Stadt Köln

Köln, den 4.09.2007

Gleichlautend: 

Herrn Oberbürgermeister
Fritz Schramma
Historisches Rathaus
50667 Köln

Antrag gemäß § 3 der GeschO des Rates
hier: Auswirkungen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wir bitten Sie folgende Antrag auf der Tagesordnung der Sitzung des Rates am 18. September 2007 zu setzen.

Resolution

Der Rat der Stadt Köln fordert den Landtag auf, den Entwurf zum „Kinderbildungsgesetz" (KiBiz-NRW) in seiner bisherigen Form nicht anzunehmen. Wir begrüßen zwar, dass einzelne Kritikpunkte bereits aufgenommen wurden, sehen aber ebenso wie der Städtetag NRW und sein Vorsitzender, Herr Oberbürgermeister Fritz Schramma, gravierende Mängel, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren einer dringenden Nachbesserung bedürfen:

  • Die künftigen Finanzierungsgrundlagen müssen von realen Zahlen ausgehen. Die Annahme, die Eltern finanzierten 19 Prozent der Kosten, ist unrealistisch. Derzeit werden landesweit lediglich etwa 13 %, in Köln gar nur 11,5 % der Betriebskosten für Kindertageseinrichtungen durch Elternbeiträge abgedeckt. Auf dieser Basis muss die Gesamtfinanzierung gestaltet werden.
  • Das Land darf seine finanzielle Beteiligung an Ganztagsangeboten nicht deckeln. Sollte das Land sich - wie geplant - nur an einer Finanzierung beteiligen, wenn ein Anteil von 25% Ganztagsplätzen an der Gesamtplatzzahl unterschritten wird, ist eine bedarfsgerechte Entwicklung nicht gewährleistet. Das Land muss sich auch an Betreuungsangeboten finanziell beteiligen, die über die vorgesehenen max. 45 Stunden hinausgehen. Bereits heute bieten einige Einrichtungen 50 Wochenstunden und mehr an.
  • Um Benachteiligungen von Kindern, die in finanzschwachen Kommunen leben, zu vermeiden, bedarf es landeseinheitlicher Standards bei der Betreuungsqualität. Deswegen ist vor allem eine Festlegung von maximalen Gruppengrößen und einer definierten Relation von Kinderzahl zu Erzieher/Erzieherin notwendig.
  • Der Rat fordert den Landtag auf, zum Konsens zurückzukehren, die im Gesetzentwurf vorgesehene Kopfpauschale abzulehnen und den Betreuungsstandard bei der U 3-Betreuung („kleine altersgemischte Gruppe“) zu halten. Die Kommunalen Spitzenverbände haben 2006 gemeinsam das Modell einer Gruppenpauschale entwickelt, die auch Gegenstand einer Konsensvereinbarung zwischen Land, Trägern und Kommunen vom Februar 2007 war. Die Gruppenpauschale war mit definierten Standards hinterlegt, die allerdings gegenüber dem Ist-Zustand bereits eine Verschlechterung darstellen, gerade in der U 3-Betreuung.
  • Der im Gesetzentwurf vorgesehene Angebotsausbau für unter Dreijährige richtet sich nach dem alten Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) und beschränkt sich somit auf lediglich 20 % der Altersgruppe. Bundesweit wird jedoch eine Quote von ca. 35 % angestrebt. Bei einer entsprechenden Ausbauverpflichtung muss mit dem Land neu verhandelt werden.
  • Das Land wird aufgefordert, mit den Kirchen verbindliche Regelungen zu treffen, damit die kirchlichen Träger angesichts ihres künftig geringeren Finanzierungsbeitrags keine finanziellen Sonderregeln vor Ort einfordern. Die Kirchen werden aufgefordert, das bestehende Betreuungsangebot aufrecht zu erhalten.
  • Die Förderung der Familienzentren ist nach wie vor völlig unzureichend. Familienzentren müssen eine angemessene personelle und sachliche Ausstattung erhalten. Dies ist mit 1.000 € im Monat nicht zu machen. Perspektivisch müssen alle Kindertageseinrichtungen in die Lage versetzt werden, bedarfsgerecht und sozialraumorientiert, die Aufgaben von Familienzentren zu übernehmen. Um auch den Anforderungen der frühkindlichen Betreuung gewachsen zu sein, sind sie als fester Bestandteil in das Netzwerk der sozialen städtischen Einrichtungen einzubinden.
  • Der Rat der Stadt Köln begrüßt die Bemühungen von Unternehmen, für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Betriebskindergärten einzurichten und zu unterhalten. Die Familien können sich auch tagsüber am Arbeitsplatz sehen und Pausen miteinander verbringen. Dies fördert den Familienzusammenhalt, das Engagement im Betrieb und kann nicht zuletzt auch zu einem verbesserten Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter 3 Jahren führen. Deswegen ist der Landtag aufgefordert, Betriebe wie bisher (§ 20 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder) als Empfänger öffentlicher Zuschüsse für Betriebskindergärten vorzusehen.
  • Elternräte sind ein wichtiges Gestaltungselement bei der institutionalisierten Kinderbetreuung. Elternräten müssen auch zukünftig die bisherigen Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte eingeräumt werden, wie dies im Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 22a, Absatz 2, letzter Satz) auch vorgesehen ist.
  • Die im Gesetz vorgesehene Berichtspflicht der Landesregierung muss mit konkreten Schlussfolgerungen verbunden werden, wenn das Gesetz nicht die erwarteten positiven Auswirkungen hat.

Der Oberbürgermeister wird gebeten, diesen Beschluss dem Landtag Nordrhein-Westfalen zu übermitteln und über die Gremien der Kommunalen Spitzenverbände auf die notwendigen Änderungen hinzuwirken.

Begründung:

Kinder sind unsere Zukunft. Jedes Kind hat das Recht auf bestmögliche Förderung und Entwicklung in der Gemeinschaft, die es befähigt, das eigene Leben mit guten Startvoraussetzungen selbstverantwortlich zu meistern.

Die Stadt Köln stellt sich dieser Aufgabe der Förderung von Kindern und unterstützt Eltern nach Kräften bei der oft schwierigen Aufgabe der Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern.
Die wachsenden Anforderungen gerade auch an die frühkindliche Bildung und Betreuung machen ein zusätzliches finanzielles Engagement des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen erforderlich. Dies gilt insbesondere für ein besseres Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter 3 Jahren. Denn trotz all unserer Bemühungen, kann der Bedarf noch immer nicht gedeckt werden.

Wesentliche Rahmenbedingungen für die Förderung von Kindern werden durch das nordrhein-westfälische Kindergartengesetz gesetzt. Der Rat begrüßt grundsätzlich die Absicht, ein neues Kinderbildungsgesetz zu entwickeln, das den heutigen Anforderungen an die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern besser gerecht als der bisherige gesetzliche Rahmen.

Das Familienministerium, die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, die Kommunalen Spitzenverbände und die Kirchen haben in einjähriger Arbeit ein Konsenspapier zur Gestaltung des neuen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) erstellt und im Februar öffentlich gemacht. Leider fanden die erarbeiteten Eckpunkte jedoch nur unzureichend Eingang in den Gesetzentwurf, der gegenwärtig vom Landtag NRW beraten wird. Deswegen hat die Landesarbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege diesen Konsens inzwischen aufgekündigt.

Wie die Anhörung mit mehr als 50 Sachverständigen im Düsseldorfer Landtag am 28./29. August 2007 belegte, ist der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf äußerst korrekturbedürftig. Das KiBiz muss substantiell verändert werden. In der Expertenrunde äußerten die freien Träger der Wohlfahrtspflege, Elternorganisationen, Personalvertretungen sowie die kommunalen Spitzenverbände erhebliche Bedenken gegen den Gesetzesentwurf, der im Juni 2007 in den Landtag eingebracht wurde. Zu befürchten sind Qualitätseinbußen in der Kinderbetreuung, Arbeitsplatzabbau für Erzieher/innen, steigende Elternbeiträge sowie erhebliche Risiken und Planungsunsicherheit für Träger und Einrichtungen.

Im Juni beauftragte der Kölner Rat die Verwaltung um eine Darstellung und Abschätzung der Auswirkungen, die der Entwurf des neuen Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) auf die derzeitige Angebotsstruktur sowie den städtischen Haushalt hat.
Nach dem vorliegenden Entwurf des KiBiz kommen gravierende finanzielle Belastungen auf die Kommunen zu. Für Köln erwartet das Jugenddezernat bei den Betriebskosten¬zuschüssen eine zusätzliche Belastung von jährlich 4 Mio €.
Falls die Elternbeiträge 19 % der Betriebskosten decken sollen, müssten die Beiträge nach den aktuellen Berechnungen von bisher 25,08 Mio. € auf insgesamt 41,44 Mio. € gesteigert werden. Ein weitere Deckungslücke in Höhe von 16,3 Mio. €.
Wir kritisieren erneut die vorgenommene „Kommunalisierung der Elternbeiträge“ und den Wegfall des Defizitausgleichs. Eine weitere Erhöhung der Elternbeiträge lehnen wir aus familienpolitischen Gründen ab.

Die Landesregierung gibt die Verantwortung für Zukunft unserer Kleinkinder weitgehend an Kommunen und Träger ab, was CDU und FDP als liberale Errungenschaft preisen. Ein Kinderbildungsgesetz sollte allerdings nicht der Freiheit von Kommunen und Trägern dienen, sondern vielmehr allen Kindern freie und gleiche Bildungschancen ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Michael Zimmermann  Jörg Frank
SPD-Fraktionsgeschäftsführer  GRÜNE-Fraktionsgeschäftsführer

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