22.03.10 –
Bei der Hartz IV-Kontroverse wird häufig übersehen, dass der Kern der Reform die durchaus positive Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe war. Problematisch sind die oft mit heißer Nadel gestrickte Gesetzgebung, die festgesetzten Bedarfssätze und die oft fehlenden realen Möglichkeiten zur beruflichen Integration von Arbeitslosen.
Der in 2004 erzielte Kompromiss sah als Regelfall die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften (ARGE) zwischen Kommunen und örtlichen Arbeits-agenturen vor. Damit war das wünschenswerte Prinzip der Hilfen aus einer Hand grundsätzlich durchgesetzt.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 20.12. 2007 erklärte diese Mischverwaltung als verfassungswidrig. Bis zum 31.12.2010 muss nun der Bundesgesetzgeber nachbessern. Während in der Schluss-phase der großen Koalition eine Einigung an der CDU in letzter Minute scheiterte, hatte sich die neue schwarz-gelbe Bundesregierung nun die getrennte Aufgabenwahrnehmung auf ihre Fahnen geschrieben. Der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich keine Änderung des Grundgesetzes vor, die eine Mischverwaltung zulässt, so wie der Städtetag und die meisten Kommunen seit langem als konsequente Korrektur fordern.
Die neue Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stieg forsch in den Ring und präsentierte Modelle, die eindeutig eine Monopolstellung der Bundesarbeitsagentur in allen Fragen der Gewährung von Passivleistungen sowie der konkreten Integrationsmaßnahmen (1-Euro-Jobs, Weiterbildung, längerfristige Förderung usw.) vorsah, ergänzt um ein hochbürokratisches freiwilliges Regelwerk über Restrechte der Kommunen. Für viele Akteure überraschend schwang sich schließlich Roland Koch, hessischer CDU-Ministerpräsident, auf die bundespolitische Bühne und präsentierte erneut eine Grundgesetz-Änderung zugunsten der seit 2005 agierenden ARGEn, die von der CDU-Bundestagsfraktion abgelehnt wird. Seit Wochen verhandeln nun Fachpolitiker aus CDU, CSU, FDP und SPD über die plötzlich mögliche mehrheitsfähige Verfassungsänderung und das darauf fußende Gesetzeswerk für die Organisation der ARGE. Denn diese Parteien garantieren die nötige 2/3 Mehrheit im Parlament.
Als Ergebnis der Diskussionen im Sozialausschuss des Rates und auch auf Wunsch der Kölner Beschäftigungsträger und Wohlfahrtsverbände haben GRÜNE und SPD nun einen Antrag „Neuorganisation des SGB II“ in den Rat eingebracht, die auch an den Kölner Erfahrungen ansetzt.
Die Interventions- und Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen müssen deutlich gestärkt werden. Ziel ist die bestmögliche Betreuung und Förderung von Langzeitarbeitslosen, die vielfach auf Dienstleistungen der Kommune angewiesen sind. Als verantwortlicher Leistungsträger müssen die Kommunen über dieselben Steuerungsmöglichkeiten wie die Agenturen für Arbeit verfügen.
Die Verfassung der zukünftige ARGE soll verstärkt den lokalen Akteuren mehr Beteiligung bei der Entwicklung des Integrationsprogramms sowie sozialräumlicher und gemeinwesenorientierter Hilfeansätze einräumen. Immerhin sind über 120.000 Menschen in Köln vom SGB II abhängig. Am SGB II hängt insgesamt ein Finanzvolumen von über 750 Mio. Euro(!), davon jeweils ca. 280 Mio. Euro Transferleistungen Unterhalt, ca. 280 Mio. Euro Unterkunftskosten und ca. 100 Mio. Euro Integrationsmittel.
Falls die Verhandlungen auf Bundesebene nicht zum Ergebnis haben sollten, dass die ARGEn so fortgeführt werden, dass Kommune und Arbeitsagentur auf gleicher Augenhöhe agieren können, wäre auch eine andere Option denkbar. Statt einer ARGE, in denen der Kommune eine völlig untergeordnete Rolle zukommt, wäre dies eine Organisationsform, in der die Kommune alleine das SGB II umsetzt – allerdings nur, wenn sie dazu auskömmlich mit Finanzmitteln des Bundes ausgestattet ist. Sofern eine ARGE-Reform scheitert, ist dies aus grüner Sicht eine sinnvolle Alternative und als solche auch im rot-grünen Koalitionsvertrag enthalten.
Kategorie
Ratsfraktion | Anträge & Anfragen | Jugend & Schule | Soziales | Lesben, Schwule und Transgender