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Kinderinterview mit Cem Özdemir

Am 9. September 2009 mitten im Bundestagswahlkampf machte Cem Özdemir Station in Köln. Timon (10 Jahre alt), Rêzan (11 Jahre alt) und Rojda (13 Jahre alt) nutzten dies zu einem Interview mit dem GRÜNEN Politiker – und fühlten ihm auf den Zahn.

15.11.09 –

Am 9. September 2009 mitten im Bundestagswahlkampf machte Cem Özdemir Station in Köln. Timon (10 Jahre alt), Rêzan (11 Jahre alt) und Rojda (13 Jahre alt) nutzten dies zu einem Interview mit dem GRÜNEN Politiker – und fühlten ihm auf den Zahn.

 

Timon: Wie bist Du auf die Politik gekommen? Wolltest Du schon immer Politiker werden?

Cem: In der Schule war ich Klassensprecher, Schülersprecher. Das ist ja auch politisch, das war der Anfang. Und dann hat mich mal ein Freund mitgenommen auf eine Versammlung der Grünen und das hat mir so gut gefallen, dass ich mich spontan entschlossen habe, Mitglied zu werden.

Rêzan: Ich wollte fragen, wieso Du zu den Grünen gekommen bist.

Cem: Ich bin zu den Grünen gegangen, weil die Grünen damals eine Partei waren, die ganz anders war als alle anderen Parteien. Die haben über Umweltschutz geredet, über die Friedensbewegung, die haben sich interessiert für den Rest der Welt. Dass es Menschen auf der Welt gibt, die im Krieg leben, die hungern müssen. Das war etwas, bei dem die Grünen ganz anders waren als alle anderen Parteien. Da hat es aber noch einen kleinen anderen Grund gegeben. Die Lehrer, die ich damals hatte, mit denen ich über Politik diskutiert habe, die waren meist bei der SPD, und die Grünen, die waren damals so ziemlich das Schlimmste, was man denen antun konnte. So ein bisschen war das also auch, um die Lehrer zu ärgern.

Rojda: Was tust Du für Kinderrechte?

Cem: Also, erst einmal versuche ich das selber zu praktizieren. Ich bin ja selber auch Vater. Im November bekommen meine Frau und ich hoffentlich noch ein zweites Kind. Ich schaue, dass ich selber auch genug Zeit habe für meine Tochter, was in meinem Job nicht so einfach ist, da man viel zu tun hat. Und dann noch nebenher Zeit haben, morgens das Kind in den Kindergarten zu bringen und abends was vorzulesen, geht nicht immer, aber ich versuche es. Aber was tue ich allgemein für Kinderrechte? Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass wir in einer Welt leben, hier in Deutschland, aber auch insgesamt in der ganzen Welt, in der alle Kinder in gute Kindergärten und Schulen gehen können, in denen Kindergärtner und Lehrer arbeiten, die gut ausgebildet sind und ihren Beruf gerne machen. Wir setzen uns dafür ein, dass Kinder nicht geschlagen werden, wir setzen uns dafür ein, dass Kinder nicht erst für voll genommen werden, wenn sie 18 Jahre alt sind, sondern auch schon vorher mitwirken und mitentscheiden dürfen. Man wird ja nicht mit 18 über Nacht auf einmal irgendwie zum Demokraten, sondern man ist ja schon vorher Teil der Gesellschaft und soll auch mitbestimmen dürfen. Und ansonsten gilt natürlich: Wir wollen eine Welt, in der kein Kind mehr hungern muss, in der kein Kind in den Krieg gehen muss. Wir wollen eine Welt, in der kein Kind an Krankheiten sterben muss, für die es Medikamente gibt. All die Dinge sind uns wichtig. Aber, das schaffe ich nicht alleine, das schafft meine Partei nicht alleine. Da brauchen wir ganz viele Leute, die mithelfen. Deshalb finde ich es toll, dass ihr Euch für Politik interessiert, denn es gibt ja auch Menschen, die haben für Politik nicht viel übrig. Aber es ist wichtig, dass man sich interessiert, Fragen stellt, gerade auch dann, wenn man unzufrieden ist mit der Politik.

Timon: Was tust Du für Elektroautos und besitzt Du selbst eins?

Cem: Ich besitze selber kein Elektroauto. Privat haben wir einen Polo Blue Motion. Der ist in der Umweltliste vom Verkehrsclub Deutschland vorne dabei. Es stößt nur 99 Gramm Kohlendioxid aus auf 100 Kilometer, also ziemlich wenig, und einigermaßen benzinsparsam ist er auch. Elektromobile sind ja gerade erst in der Erforschungsphase. Mit denen, die es bislang gibt, kann man nicht besonders lange fahren, weil die Batterien noch nicht so gut sind. Deshalb wollen wir ja, dass man in die Forschung für Elektromobile noch mehr Geld investiert, damit die immer besser werden, damit man immer länger fahren kann. Auch die Frage, wie die Elektroautos betankt werden, muss geklärt werden. Wenn es nach uns Grünen geht, dann mit der Sonne. Denn wir wollen ja nicht, dass wir neue Atomkraftwerke bauen müssen für Elektromobile. Also wollen wir, dass es Solartankstellen gibt, mit denen man die Elektroautos betanken kann. Dafür setzen wir uns ein. Und man muss dafür sorgen, dass die Leute sich die Elektromobile überhaupt leisten können. 

Rêzan: Wie viel kosten die denn?

Cem: Die Anschaffung ist teurer als bei anderen Autos und deshalb muss man am Anfang auch ein bisschen helfen, dass sich auch normale Leute ein Elektromobil leisten können. Zum Beispiel durch einen Zuschuss in Höhe von 5000 Euro. Und je mehr Elektroautos es gibt und die Forschung sich entwickelt, desto billiger werden die Elektroautos dann.

Timon: Warum sollen die Elektromobile mit Sonnenenergie betrieben werden? Warum nicht mit Windenergie oder Wasserenergie?

Cem: Gute Frage. Das geht natürlich genau so gut, Hauptsache der Strom, der aus der Steckdose kommt, ist aus erneuerbaren Energiequellen. Also nicht Energie aus neuen Kohlekraftwerken oder Atomkraftwerken. Sonst hätten wir ja ein Problem nur durch ein anderes Problem gelöst.

Rêzan: Was hörst Du für Musik?

Cem: Meine Frau ist Argentinierin. Deshalb läuft bei uns viel lateinamerikanische Musik und auch Rockmusik. Das letzte Konzert, das ich besucht habe, war von den Fantastischen Vier. Kennt ihr die?

Timon: Ja. Was haben die gespielt?

Cem: Na ja, die haben so ein Zusammenschnitt gemacht aus den alten Alben. Die kommen ja aus Stuttgart, wo ich für den Bundestag kandidiert habe.

Rojda: Was isst Du am liebsten?

Cem: Ich bin Vegetarier. Also ich esse kein Fleisch und kein Fisch. Ansonsten esse ich eigentlich sehr viel Gerichte der italienischen Küche. Also ich mag unglaublich gerne Pizza, oder die ganzen Pastagerichte. Die libanesische Küche, die anatolische Küche, die griechische Küche – die mag ich auch sehr. Also, alles was mit Olivenöl ist, das trifft genau meinen Geschmack.

Timon: Was wolltest Du werden als Du zehn Jahre alt warst?

Cem: Oh, da soll ich mich jetzt noch dran erinnern? Also ich weiß, dass ich sehr lange Schaffner werden wollte. Irgendwann wollte ich dann mal Rocksänger werden. Ich hatte verschiedene Berufswünsche. Jetzt bin ich eben Politiker geworden. Aber mein eigentlicher Beruf ist Kindergartenerzieher. Ich habe auch Sozialpädagogik studiert.

Rêzan: Interessierst Du Dich für Fußball?

Cem: Ja, klar interessiere ich mich für Fußball. Ich war beim Bundesligaauftaktspiel vom VfB in Wolfsburg. Leider ging das 0:2 aus, was mich sehr geärgert hat. Ihr hört also, ich bin VfB-Stuttgart-Fan. Es ist klasse, dass Serdar Tasci vom VfB in der deutschen Nationalmannschaft spielt.

Timon: Der Mesut Özil auch.

Cem: Das wollte ich jetzt auch gerade sagen. Es ist super, dass er für die deutsche Nationalmannschaft kickt und natürlich auch, dass er beim ersten Spiel so toll gespielt hat, ich wünsche ihm, dass er Erfolg hat. Ich finde es ist super, wenn die Leute den Fernseher einschalten und sie sehen einen, der heißt Mesut Özil, und ihnen klar wird, dass jemand, der Vorfahren aus der Türkei hat, bei uns Nationalspieler werden kann.

Rojda: Was machst Du in Deiner Freizeit am Liebsten?

Cem: Also, wenn ich irgendwie frei habe, bin ich gern mit meiner Frau und meiner Tochter zusammen oder auch mit guten Freunden. Sonntags, wenn nicht gerade Wahlkampf ist oder andere Termine sind, dann kicke ich oft mit den Jugendlichen bei uns in der Nähe. Ich schaue gerne Filme an, gehe gern ins Kino. Wobei ich jetzt schon seit einigen Wochen nicht mehr im Kino war, was ich sehr, sehr bedaure. Ich habe so eine Liste von Filmen, die ich gern sehen würde, den neuen Tarantino zum Beispiel. Lesen natürlich auch, wobei ich jetzt gerade vor allem Zeitungen lesen muss. Zum Bücherlesen komme ich derzeit leider kaum.

Timon: Wer ist Dein Vorbild?

Cem: Also, ich habe nicht nur eins, ich habe mehrere Vorbilder. Bei mir im Zimmer hängt zum Beispiel ein Bild von Martin Luther King. Der ist deshalb ein Vorbild, weil er sich nicht hat abbringen lassen von seinen Zielen. Er hat mit ganz wenigen Leuten angefangen und dann ist daraus eine Massenbewegung geworden. Er hat sich gewaltfrei gegen eine aggressive Übermacht durchgesetzt. Nelson Mandela ist auch eine tolle Persönlichkeit und überhaupt alle Menschen, die sich für andere einsetzen. Dazu gehören auch Leute, die im Altersheim arbeiten, oder viele Leute, die in pädagogischen Berufen tätig sind.

Rojda: Ich habe noch eine letzte Frage: Bist Du für oder gegen einen Moscheebau in Deutschland?

Cem: Das kann man so pauschal nicht sagen. Das hängt davon ab, wer die Moschee baut und was das für eine Moschee ist. Die Muslime haben genauso das Recht ihre Gotteshäuser zu bauen, wie die Aleviten das Recht haben oder die evangelischen und katholischen Christen, die Yeziden, die Hinduisten, die Buddhisten. Alle haben das Recht, ihre Religion zu leben. Unter einer Bedingung: Sie dürfen andere nicht einschränken und sie dürfen den anderen dasselbe Recht nicht verwehren. Das ist die Spielregel. Wir leben schließlich alle in einer gemeinsamen Welt.

Timon, Rêzan, Rojda: Danke.

Cem: Ihr habt das super gemacht. Besser als manche im Fernsehen. Bis zum nächsten Mal.

 

Das Foto zeigt von links nach rechts Timon, Rojda und Rêzan.

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