22.03.10 –
Die Ursache für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs steht immer noch nicht fest. Aber was im Zuge der Ermittlungen zur Unglücksursache bislang an Erkenntnissen über den Bau der Nord-Süd-Stadtbahn zu Tage getreten ist, kann wirklich erschrecken.
Da baut ein Weltkonzern wie Bilfinger Berger mitten in der Kölner City riesige unterirdische Bauwerke und lässt dabei offensichtlich jegliche Sorgfalt außer Acht. Gegen Recht und Gesetz werden illegale Brunnen gesetzt und große Mengen Wasser und Sediment aus dem Boden gepumpt. Elektronisch erstellte Protokolle werden am Computer manipuliert und gefälscht. An manchen Stellen wird Beton nicht in der erforderlichen Menge eingebracht, in den Schlitzwänden am Waidmarkt entstehen 1/2 Quadratmeter große Löcher, aus denen Grundwasser in die Baugrube schießt und die notdürftig mit Holzkeilen und Stahlplatten geschlossen werden. Und in der riesigen Kreuzungshaltestelle Heumarkt fehlen massenhaft Eisenteile, die angeblich von geldgierigen Bauarbeitern an Schrotthändler vertickt wurden.
Rätselhaft
Nach wie vor rätselhaft bleibt, warum diese zahlreichen Versäumnisse niemandem vor dem Unglück aufgefallen sind. Denn laut Organisationsplan gibt es eine ganze Reihe von Kontrollmechanismen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass ohne Pfusch und unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen gebaut wird. Nach einem Jahr Aufklärungsarbeit steht aber immer noch nicht fest, warum sowohl das ISO-zertifizierte und teuer bezahlte Qualitätsmanagement von Bilfinger Berger als auch die Bauüberwachung der KVB so eklatant versagt haben. Am kritischsten ist dabei nach bisherigen Erkenntnissen der Bau der 19 illegal errichteten Brunnen in der Baugrube am Waidmarkt.
Hier ist gegen die Bestimmungen der wasserrechtlichen Erlaubnis massiv verstoßen worden – offensichtlich mit dem Wissen sowohl der Baufirmen als auch der Bauüberwachung und –aufsicht der KVB AG.
Ob die hohe Wasserentnahme aus dem umliegenden Erdreich und die Auswaschung von Sand einen Hohlraum unter dem Archiv haben entstehen lassen, der letztlich zum Einsturz führte, ist noch Spekulation. Fest steht aber, dass die neue Sandbank am Rheinauhafen aus Sedimenten vom Waidmarkt besteht. Auch hier hat die Überwachung versagt. Ungeklärt ist wie die Unglücksursache immer noch, wer bei der KVB AG die Verantwortung für die Missstände übernimmt. Das zuständige Vorstandsmitglied Walter Reinarz (CDU) weigert sich bislang.
Durchsichtig
Ziemlich durchsichtig ist hingegen das Manöver der CDU-Fraktion und der Bezirksregierung Köln, Umweltdezernentin Marlis Bredehorst die Verantwortung für den Verstoß gegen die wasserrechtliche Genehmigung in die Schuhe zu schieben. Diese vertreten die Auffassung, die untere Wasserbehörde beim Umweltamt hätte die Wassermengen kontrollieren müssen.
Klar ist nach sorgfältiger Prüfung der gesetzlichen Bestimmungen, dass das Umweltamt die abgepumpten Wassermengen kontrollieren kann, aber nicht muss. Da von den Baufirmen und der KVB vor dem Unglück immer nur die Ansage kam, dass alles in Ordnung ist, gab es keine Veranlassung für das Umweltamt, Kontrollen über das normale Maß hinaus durchzuführen. Aufgabe der unteren Wasserbehörde ist vielmehr die Kontrolle der Wasserqualität und der abgepumpten Wassermenge. Letztere wurde im geprüften Zeitraum in der genehmigten Gesamtmenge nicht überschritten und hätte von den Baufirmen der Bezirksregierung regelmäßig angezeigt werden müssen, dies ist nie geschehen und die Bezirksregierung hat auch bei den Baufirmen nicht nachgefragt, wo die Unterlagen bleiben. Zu klären bleibt aber, warum die Bezirksregierung Köln im Rahmen ihrer Kontrollzuständigkeit untätig war.
Vertrauensverlust
Ein Jahr nach dem Archiveinsturz ist das Vertrauen der Bevölkerung in Politik, Stadt und KVB am Boden. Es ist nicht zu erklären, warum ein solches Unglück trotz des technischen Fortschritts sich überhaupt ereignen konnte. Es ist nicht zu erklären, dass es zwar umfangreiche Kontrollmechanismen gab, diese aber nicht funktioniert haben und die dafür Verantwortlichen nichts davon gewusst haben sollen. Es ist nicht zu erklären, dass Vorstände von kommunalen Unternehmen wegen ihrer hohen Verantwortung viel Gehalt bekommen, es aber nicht möglich ist, diese Vorstände dann zur Verantwortung zu ziehen, wenn in ihrer Zuständigkeit Fehler oder gar Rechtsverstöße passieren.
Dringend geboten ist, dass alles dafür getan wird, die Nord-Südstadtbahn jetzt sicher fertig zu bauen. Von den Baustellen darf nicht weiter Gefahr ausgehen. Ebenso notwendig ist es, so schnell wie möglich die Unglücksursache zu ermitteln und damit die rechtliche Schuldfrage zu klären. Ob dadurch alleine das Vertrauen wieder hergestellt werden kann, ist angesichts des fehlenden Verantwortungsbewusstseins der Führungskräfte und der politischen Kräfte, die diese Haltung unterstützen, mehr als zweifelhaft.
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