09.06.08 –
Stellungnahme zum Doppelhaushaltsbeschluss 2008/2009
im Finanzausschuss am 09. Juni 2008
Jörg Frank
Finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Kölner Rat
Herr Vorsitzender,
werte Damen und Herren,
die heutige Beschlussfassung zum Doppelhaushalt geschieht in mehrfacher Hinsicht unter neuen und zum Teil ungewöhnlichen Voraussetzungen:
Erstmals beschließt der Finanzausschuss einen Haushalt auf Basis des neuen
kommunalen Finanzmanagements – dem Umstieg von Kameralistik auf ein doppisches Rechnungswesen. Mit dieser outputorientierten Steuerung des Ressourceneinsatzes soll eine effektivere und kostenwirtschaftlichere Leistungserstellung erreicht werden. Es soll nichts verschleiert werden und für die Politik und die Bürger einen besseren Einblick in die reale Finanzlage liefern.
Dies ist allerdings ein noch nicht eingelöstes Versprechen.
Beim vorliegenden Haushaltsplan hat sich Information und Transparenz für Rat und BürgerInnen nicht erhöht. Zugegeben, aller Anfang ist schwer. Aber hier besteht Verbesserungsbedarf. Die Ergebnispläne auf Teilproduktebene sind zu stark verdichtet. Zahlreiche Maßnahmen und Leistungen lassen sich nicht sinnvoll über Kennziffern steuern. Hier bedarf es einer detaillierten Darstellung der Aufwendungen. Dies gilt insbesondere auch für Personalkosten, deren Entwicklung deutlich erkennbar sein sollte, um dem Rat Möglichkeiten der Steuerung zu geben. Relevante Transferaufwendungen müssen nach
Verwendungszweck und Empfänger aufgeschlüsselt sein.
Wir werden darauf drängen, die hohe Verdichtung von Ergebnisplänen zugunsten zielgenauer Detailinformationen aufzulösen. Sonst bleibt die Steuerung durch den Rat ein leeres Wort und es herrscht die Macht des Faktischen.
Auch hierfür ist es gut, dass dafür durch den Doppelhaushalt etwas mehr Zeit ist, dies für den Haushaltsplan 2010 vorzubereiten.
Das ist aber nicht der Kerngedanke, warum wir für einen Doppelhaushalt votieren. Heute wird so nun für diese Wahlperiode letztmalig über den Haushalt entschieden. Dadurch wird eine solide Planungssicherheit für alle BürgerInnen, für alle Akteure im kommunalen Sektor, insbesondere die freien Träger und Zuschussempfänger im Jugendhilfe-, Sozial-, Kultur sowie Sportsektor und für die Wirtschaft in Köln und nicht zuletzt für die Verwaltung geschaffen. Das ist gut für Köln!
Da im Kölner Rat keine eindeutig klaren politischen Mehrheiten herrschen, kam nun nach zähem Ringen ein Bündnis aus CDU, SPD und Grüne zustande. Das ist sicher ungewöhnlich! Aber: Weder CDU noch rot-grünes Kernbündnis haben eine Mehrheit im Rat. Dieses Zweckbündnis für den Haushalt übernimmt nun Gesamtverantwortung für die Stadt.
Dabei haben die Beteiligten weitgehend darauf verzichten müssen, mit Blick auf die Kommunalwahl 2009 die parteipolitischen Differenzen und Duftmarken den Vorrang zu geben und sie nach vorne zu stellen. Denn solch eine Vereinbarung funktioniert nur, wenn keiner den anderen überfordert.
Die FDP hat sich aus der Verantwortung davon geschlichen. Sie will sich einem solchen temporären Zweckbündnis nicht anschließen: Sie betreibt stattdessen nun lieber populistischen Wahlkampf pur.
Ohne eine solche Einigung wäre die Stadt Köln in der vorläufigen Haushaltsführung verblieben. Dieser „Nothaushalt“ hätte sehr restriktive Ausgabenbedingungen und einen Investitionsstopp für neue Projekte zur Folge gehabt. Erstmals ist nun ein Bürgerhaushalt Teil eines städtischen Haushaltsplans. Die im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsverfahrens eingereichten Bürger-Vorschläge wurden von der Verwaltung hinsichtlich Umsetzung und Finanzierbarkeit geprüft und je Handlungsfeld „Hitlisten“ erstellt. Auf Initiative des Finanzausschusses wurden „Produktcluster“ gebildet. Mit dem vorliegenden Vorschlag des Haushaltsbündnisses soll dies nun zu
Maßnahmenprogrammen gebündelt werden, deren Finanzierung im Haushaltsplan 2008/2009 gesichert ist. Die Umsetzung werden wir eng begleiten. Im Herbst und Mitte 2009 sind wir zur öffentlichen Rechenschaftslegung verpflichtet. So sieht es das Beteiligungsverfahren vor.
Die Maßnahmen sind umfänglich. Ich hoffe, dass sie bis Ende 2009 auch realisiert werden können. Auch deshalb ist die Kritik völliger Unsinn, dass durch den Doppelhaushalt der Bürgerhaushalt gestoppt würde. Der erste Bürgerhaushalt ist erfolgreich geglückt. Auf Basis der ausgewerteten Erfahrungen wird in 2009 das nächste Beteiligungsverfahren gestartet.
Das haben wir bereits im Rat beschlossen.
Zurück zur Finanzlage der Stadt:
„Neues kommunales Finanzmanagement“ - kurz NKF - ist kein Zaubermittel zur
wundersamen Geldvermehrung. Wer dies denkt, irrt gewaltig.
Mit dem Jahresergebnis 2007 konnten die kameralen Fehlbeträge abschließend abgebaut werden. Dies war letztlich durch den enormen Zuwachs aus Gewerbesteuereinnahmen in 2007 möglich. Die Stadt ist nun nicht mehr in der Haushaltssicherung. Das ist ein Erfolg, der allerdings nicht allein auf die Anstrengungen von Rat und Verwaltung beruht. Die gute Konjunktur und dadurch bewirkten Steuermehreinnahmen haben uns sehr geholfen.
Es ist unverkennbar, dass der Haushalt bei den konsumtiven Aufwendungen nach wie vor unter einem strukturellen Defizit leidet. Die Stadtfinanzen sind nicht konsolidiert. Auch wenn das NKF die Vermögenslage der Stadt nun realistischer zeichnet, ist dies kein Grund für Untätigkeit. Die Stadt verfügt über ein stattliches Anlagevermögen, dass sie absolut nicht arm aussehen lässt, aber der Cashflow sieht deutlich bescheidener aus, sofern man ihn als
Parameter für der Zahlungskraft und finanzielle Gesundheit des „Unternehmens Stadt“ betrachtet.
Konjunkturell stehen die Zeichen auf Abschwächung. Absehbar werden die
Steuereinnahmen auch für Köln sinken. Die für Köln abgeleiteten Daten aus der Mai-Steuerschätzung weisen darauf hin: 2010 bis 2011 sind Mindereinnahmen aus Gewerbesteuer und Einkommensteueranteil von 88 Mio. Euro absehbar.
Verwaltung und Rat werden also weiter konsolidieren müssen.
Die Haushaltsentwicklung ist deutlich defizitär. Keine politische Partei und auch nicht der Oberbürgermeister werden in den nächsten Jahren mit Geld um sich werfen können, wenn sie sich an den Erfordernissen seriöser und nachhaltiger Finanzpolitik messen lassen wollen.
Ein perspektivisches Konsolidierungskonzept wird die Aufgabe des Rates in der neuen Wahlperiode sein. Es bleibt zu hoffen, dass auch dafür stabile und berechenbare Mehrheitsverhältnisse durch die Wahl 2009 geschaffen werden.
Gern und oft wird von Kritikern die Verschuldung der Stadt angeprangert. Ohne Zweifel stellt sie eine Belastung dar. Allerdings stehen den Verbindlichkeiten von insgesamt 2,8 Milliarden Euro Finanzanlagen von 3,79 Milliarden Euro auf der Aktivseite der städtischen Bilanz gegenüber. Es gibt somit keinen Grund eine marode Lage herbeizureden. Das schadet nur dem Wirtschaftsstandort und dem Image Kölns. Richtig bleibt, als ersten Schritt die Neuverschuldung auf Null zu fahren. Allein dies ist überhaupt nicht selbstverständlich.
Politische Mehrheiten im Rat für Nachhaltigkeit zu gewinnen, ist keineswegs einfach. Wir sprechen da als handelnde Akteure bei der Haushaltssicherung 2003 aus reicher Erfahrung.
Das kommunale Gemeinwesen beruht maßgeblich bei der Bereitstellung nicht nur sozialer Leistungen auf dem Subsidiaritätsgedanken. Die freien Träger in den Kernbereichen der Daseinsvorsorge sind daher ein außerordentlich wichtiger Partner. Daher hat uns das Problem der Tariferhöhungen, dass die freien Träger im Bereich der Jugendhilfe, Sozialarbeit usw. vor große Probleme stellt, nicht gleichgültig gelassen. Mit der für den Rat geplanten und heute beauftragten Problemlösung denken wir, die Handlungsfähigkeit der freien Träger abgesichert zu haben. Für den Doppelhaushalt bedeutet dies eine weitere Kraftanstrengung von über 3,3 Mio. Euro auf der Aufwandsseite.
Mit den vorliegenden Veränderungen am Haushaltsplan-Entwurf, auf die sich CDU, SPD und GRÜNE einigen konnten, werden sinnvolle politische Schwerpunkte gesetzt. Für uns Grüne liegen die Schwerpunkte vor allem in den Feldern Bildung, Integration und Umwelt. Dabei sind wir für uns die maßgeblichen Leitlinien Nachhaltigkeit und sparsamer Umgang mit öffentlichen Finanzressourcen. Mit dieser Maßgabe haben wir auch die Haushaltsgespräche mit den Bündnispartnern geführt.
Mit zusätzlichen konsumtiven Aufwendungen von etwa 32,8 Mio. € in 2008 und ca. 16 Mio. € wurde ein maßvolles Paket geschnürt.
Die zusätzlichen Investitionsmaßnahmen betragen ca. 43 Mio. € für beide Haushaltsjahre zusammen.
Auch dies ist angesichts eines Investitionsgesamtvolumens im Doppelhaushalt von ca. 1,6 Milliarden € mehr als vertretbar.
Natürlich sind diese zusätzlichen Aufwendungen gegenfinanziert. Diese wird sichergestellt durch den Überschuss in 2008 von 15,5 Mio. € sowie die Option auf eine erhöhte Ausschüttung des Stadtwerke-Konzerns (SWK) an die Stadt in 2009. In 2008 schüttet der SWK-Konzern 80 Mio. € aus. Die wirtschaftlich sehr positiven Ergebnisse der Stadtwerke erlauben eine evtl. erhöhte Ausschüttung in 2009 ohne auch nur im Geringsten die Substanz anzugreifen. Das Konzern-Eigenkapital beträgt derzeit über 1 Milliarde €.
Nicht zuletzt aber müssen die Dezernate bereits vom Kämmerer angeforderte
Konsolidierungsbeiträge leisten, die auch zur Gegenfinanzierung beitragen. Im Ausschuss Allgemeine Verwaltung ist unsererseits bereits das überbordende Tableau zur Ausweitung des Stellenplans um 949 Stellen für2008/2009 kritisiert worden. Als Ergebnis wurde die Zusetzungen für 2008 gebilligt, aber die für 2009 neu vorgesehenen 496 Stellen stehen nun auf dem Prüfstand. Wir drängen darauf, dass diese Prüfung ernst genommen wird. Allein das Abwälzen von Aufgaben an die Kommunen durch die Landesregierung ist keine tragfähige Legitimation für diese enorme Stellenmehrung.
Vor allem in den Bereich Jugend, Schule und Bildung werden zusätzliche Mittel
transferiert. Dieser Bereich ist der Gewinner. Die Mittel dienen z. B. der Stärkung und dem Ausbau der Übermittagsbetreuung in der Sekundarstufe I, der Qualitätssteigerung in der Offenen Ganztagsschule, besserer Ausstattung, der Bauunterhaltung bei Jugendzentren und mehr Mittel für Jugendprojekte.
Die Verbesserung der Integrationsfähigkeit ist für uns eine vorrangige Aufgabe. Die Herausforderungen, die aus der Migration in eine Großstadt erwachsen, zu bestehen, ist der wohl entscheidende Faktor, ob sich eine Stadtgesellschaft sozial ausgewogen und friedlich entwickeln kann.
Einen besonderen Schwerpunkt legen wir auf zusätzliche Beschäftigungsinitiativen für Langzeitarbeitslose und erwerbslose MigrantInnen, die von der ArGe zu organisieren sind. Dafür haben wir Mittel bereitgestellt. Dazu gehört auch ein Investitionsprogramm für Sanierung und Bestandspflege städtischer Einrichtungen, das sich an Beschäftigungsträger richtet und somit zugleich Erwerbslose auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet.
Die Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität genießt für uns Grüne in vielfacher Hinsicht Priorität, die sich auch in den Haushaltsschwerpunkten niederschlägt. Dies ist auch ein wichtiges Anliegen vieler BürgerInnen, wie sich in der „Hitliste“ der Bürgerhaushalts zeigt.
Unsere Schwerpunktsetzung auf Pflege der Grünflächen und Parks und eine urbane Gestaltung Kölner Innenstadtplätze ergänzt dies.
Dies gilt im Übrigen auch für unser Investitionsprogramm zum Ausbau der Radwege, während im Bürgerhaushalt der Schwerpunkt auf der Sanierung vorhandener Radewege liegt. Das wir somit auch die Nutzung eines absolut umweltfreundlichen Verkehrsmittels fördern wollen, liegt auf der Hand.
2007 war der Kultursektor in Hinsicht auf zusätzliche Mittel der eindeutige Gewinner. Aber auch für 2008 und 2009 wäre es vermessen, wenn sich die Akteure im Kultursektor beklagen würden, auch wenn das weitere Wachstum zusätzlicher Haushaltsmittel in 2009 mit Rücksicht auf die angespannte Haushaltslage abgebremst werden musste. Doch die vorliegende Liste kann sich sehen lassen. Angesichts eines zu erwartenden Defizits von 108 Mio. € bewiesen auch die beteiligten Kulturpolitiker Verantwortung, zumal Geld allein kein Garant für kulturelle Qualität ist.
Die Verbesserung der Umwelt- und Lebensqualität dient nicht zuletzt auch zur Profilierung der weichen Standortfaktoren, denen im europäischen Städtewettbewerb eine wachsende Bedeutung zukommt. Vieles ist in allen Städten gleich. Um so mehr kommt es darauf an die Alleinstellungsmerkmale zu pflegen und auch nach außen zu verdeutlichen. Das Stadtmarketing ist dafür noch nicht auf der Höhe der Zeit. Daher haben wir Mittel zu seiner Optimierung bereitgestellt.
Die von uns Grünen in den Haushaltsplan eingebrachten Schwerpunkte dienen zugleich der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Kölns und seiner Wirtschaft im europäischen Maßstab.
Insgesamt halten wir Grüne den getroffenen Kompromiss für tragfähig. Die Stadt bleibt handlungsfähig und hat aussichtsreiche Entwicklungschancen, wenn der Rat auch in der Schlussphase dieser Wahlperiode noch kluge Umsetzungsbeschlüsse trifft.
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