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60 Mrd. Entwicklungshilfe für Afrika

Interview mit Kerstin Müller

09.06.07 –

Interview, 08.06.2007, 12:07 Uhr

 

 Ein Ergebnis des heutigen letzten Tages des G8-Gipfeltreffens in Heiligendamm: Die Hilfe für Afrika wird ausgebaut, insgesamt 60 Milliarden Dollar wollen die G8 zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose bereitstellen, die Hälfte der Summe schultern die USA. Außerdem bekannten sich die Gipfelteilnehmer zur versprochenen Verdoppelung der Afrika-Hilfen bis zum Jahre 2010 - allerdings würden auch Erwartungen an die Empfänger der Hilfsleistungen geknüpft. Soweit die Ergebnisse.

Dazu ein Gespräch mit Kerstin Müller von den Grünen, Mitglied des Ausw. Ausschusses des Bundestags und ehemalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Das Interview in Auszügen:

Oliver Rehlinger: 60 Milliarden Dollar, ist das eine akzeptable Größenordnung oder doch eher ein Tropfen auf den heißen Stein?

Kerstin Müller: Erst einmal ist anzuerkennen, dass die G8-Staaten erkannt haben, welch fundamentale Probleme HIV-Aids, Tuberkulose und Malaria bedeuten. Es gibt Gebiete in afrikanischen Staaten, da geht die Lebenserwartung in historisch nie gekanntem Ausmaße zurück, also eine wirklich dramatische Entwicklung. Was die Summen betrifft, so haben wir den Eindruck, dass es sich lediglich um eine Aufwärmung der Versprechen von Gleneagles geht. Das heißt, wir gehen davon aus, dass auch nach dem Gipfel ein globaler Fehlbetrag bis 2010 für alle G8-Staaten von 25 Milliarden Dollar besteht. Der Fonds ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass man in Gleneagles versprochen hatte, die Hilfen bis 2010 zu verdoppeln und ein großer Teil sollte in diesen Fonds gehen. Ein Anfang, aber leider machen wir die Erfahrung, immer wieder Versprechungen, die dann nicht eingehalten werden.

Rehlinger: Es war im Vorfeld des Gipfels sehr viel die Rede vom Ausbau, von einer Neustrukturierung der Handelsbeziehungen zwischen den Industriestaaten und afrikanischen Ländern. In den vorgezogenen Abschlusserklärungen heute Vormittag war davon, soweit ich gehört habe, gar nicht mehr die Rede. Ist das hinten runtergefallen?

Müller: Den Eindruck habe ich ganz klar. Man macht neue Versprechungen, was die Entwicklungshilfe betrifft, aber ein ganz zentraler Punkt, nämlich die Frage des Abbaus von Agrarsubventionen in Europa, aber auch auf dem amerikanischen Markt, die wird wieder nicht angepackt. Natürlich muss letztlich das im Rahmen der WTO -  also der Welthandelsrunde - entschieden werden. Aber da sitzen die wichtigen Blockierer - sage ich mal - zusammen. Es ist so, dass die Subventionspolitik der Europäer, aber auch der Amerikaner, ganze regionale Märkte in Afrika zum Teil zerstört, und dass afrikanische Produkte auf unseren Märkten keine Chancen haben. Wenn man da nicht rangeht, kann man sich eigentlich die ganzen schönen Versprechungen um die Entwicklungshilfe sparen.


Rehlinger:
Ein anderer Kritikpunkt, der immer wieder genannt wird, ist der, dass bei der Hilfe ein bisschen getrickst wird. Dass z.B. der Schuldenerlass für afrikanische Staaten dann gleich mit der Entwicklungshilfe verrechnet wird, das heißt, im Grunde sinkt die Entwicklungshilfe. Wie gravierend ist dieses Problem?

Müller: Es ist in der Tat so, dass die Schuldenerlasse angerechnet werden. Nun muss man einmal sagen, es ist ein Fortschritt, dass immer mehr Länder einen Schuldenerlass bekommen. Es ist eine sehr alte grüne Forderung und auch eine alte Forderung von attac und den Globalisierungsgegnern. Man muss natürlich sehen, dass eigentlich wirklich nie jemand damit gerechnet hat, dass dieses Geld wieder zurückkommt. Insofern ist es natürlich fast schon zynisch oder jedenfalls falsch, das auf die Entwicklungshilfe anzurechnen. Im Ergebnis hat das dazu geführt, dass im letzten Jahr die Entwicklungshilfe weltweit leicht zurückging, also, dass ist genau das Gegenteil was man auf dem G8-Gipfel in Gleneagles versprochen hatte. Deshalb unsere klare Forderung: Wenn man hier verspricht, Verdopplung der Hilfen bis 2010,- insbesondere auch für Afrika - dann muss dies auch tatsächlich geschehen und es darf nicht getrickst werden.

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