20.03.07 –
Kommentar zum Landesparteirat:
Wer hätte das gedacht: der Landesparteirat am 18. März entwickelte sich zu einem Diskussionsforum erster Güte. In der Vergangenheit war diese Versammlung eher ein Ort der stromlinienförmigen Abstimmungen, denen kaum Diskussionsbeiträge vorausgingen. Kontroverse Themen weit gefehlt, langweilig ohne Ende…
Vom Verlust der Utopie
Wir standen in den 80er und Anfang der 90er Jahren für die großen Grundsatzdiskussionen, führten teils gesellschaftliche Zukunftsdebatten stellvertretend für die Gesellschaft: Atomausstieg, Pazifismus, Gleichberechtigung und so weiter. Dann gelangten wir zunehmend in Verantwortung, arbeiteten uns an unseren Zielen ab und verloren die Utopie, verloren uns auch ein wenig in dem Regierungsalltag. Wir mussten repräsentabel werden, und wir mussten uns regierungsfähig zeigen. Da waren kontroverse Debatten nicht immer gefragt, wurden auch ein wenig unterdrückt. Und wir? Wir wurden auch ein wenig langweilig.
Entdecken wir die Kontroverse jetzt wieder?
Jetzt sind wir aus vielen Regierungen rausgeflogen, tragen keine Regierungsverantwortung mehr. Und siehe da, wir entdecken die Kontroversen wieder, die zukunftsträchtigen Fragen, trauen uns wieder, neu zu denken und halten es auch aus, wenn quer durch die Partei ein Riss gehen könnte.
Kontroverse Nummer 1: der Tornadoeinsatz
Viele Abgeordnete der Bundestagsfraktion stimmten für den Tornadoeinsatz, gut begründet und als Gewissensfrage deklariert. Das schmeckt an der Basis nicht jedem. Und auf dem LPR durfte das diskutiert werden. Meinungen wurden ausgetauscht, die Linien Pazifismus hier und bürgerliche Verantwortungsethik dort (von Sven Lehmann als „naiver Militarismus“ ätzend kritisiert) wurden überdeutlich. Aber sie führten nicht zum Bruch. Vielmehr wurde ein gegenseitiger Respekt deutlich. Klar wurde, dass wir den Diskurs um die richtige Strategie in Afghanistan fortsetzen wollen. Aber ein Antrag auf Sonder-Bundesparteitag zu diesem Thema fand keine Mehrheit, genauso wenig wie die Forderung nach einem Parteiausschluss für die Abgeordneten, die für den Tornadoeinsatz gestimmt haben.
Kontroverse Nummer 2: Regelt das der Markt?
Eine weitere Debatte war die Frage nach dem Mindestlohn. Auch hier wurde die Debatte nicht gescheut. Die Marktliberalen wollten den Mindestlohn branchenspezifisch und regional von den Tarifparteien ausgehandelt wissen. Die Marktregulierer hingegen forderten den Deutschen Bundestag als Gesetzgeber umgehend zur Handlung auf – allerdings auch mit Berücksichtigung des Ost-West-Gefälles, aber mit dem Ziel, dieses zukünftig zu nivellieren. Letztere gewannen den Konflikt deutlich, aber er wurde ausgetragen.
Der Vollständigkeit halber
Die LAG Demokratie und Recht und der Landesvorstandes führten einen Kompromissvorschlag herbei, sodass die Grünen nun eindeutig Kumulieren und Panaschieren bejahen – wobei die Wahlkreisforderung der Landtagsfraktion mit einer „Kann-Regelung“ abgeschwächt wurde. Außerdem unterstützt jetzt der Landesverband NRW die Kampagne des Vereins „Mehr Demokratie“.
Was allerdings nicht verwundert, ist, dass der weit reichende Antrag zur Klimapolitik des Landesvorstandes und Reiner Priggen nicht kontrovers diskutiert wurde: hier ist die Einigkeit groß und die Grüne Schlagkraft damit umso mehr: Geben wir Gas für eine zweite industrielle Revolution.
Letztendlich gab es zwei Gewinner: Der Landesvorstand bekam alle seine Anträge – mit Änderungen im Detail - durch. Dem gingen aber engagierte und kontroverse Debatten voraus, so dass auch die Partei und ihre Mitglieder gewannen. Grüne NRW: weiter so! Dann machen wir die Partei wieder fit für die Zukunft.
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